Quelle: Adobe Stock / Dmytro
Die „Crowd“ als Datenlieferantin – insbesondere die Mobilitätsforschung profitiert vom sogenannten mobilen Crowdsourcing: Hierbei erfassen Nutzende per App ihr individuelles Mobilitätsverhalten und erheben somit reale, präzise und in Echtzeit verfügbare Mobilitätsdaten. Das Bundesministerium für Verkehr fördert im Rahmen seiner Innovationsinitiative mFUND zahlreiche Projekte, die mobiles Crowdsourcing zur Erhebung von Mobilitätsdaten nutzen.
Mobilitätsdaten, die im Rahmen klassischer Erhebungen wie „Mobilität in Deutschland“ (MiD) oder dem „System repräsentativer Verkehrserhebung“ (SrV) erfasst werden, basieren auf Selbstauskünften. Sie werden telefonisch oder online erfragt und sind zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zumeist bereits über ein Jahr alt. Die Ergebnisse sind somit immer retrospektiv, oft subjektiv und damit i.d.R. ungenau.
Geringe Fehlerquote, aktuell und in Echtzeit verfügbar
Die Vorteile des mobilen Crowdsourcings liegen derweil in der Hochwertigkeit, Aktualität und kurzfristigen Abrufbarkeit der Daten. Dank GPS-Ortung und exakter Zeitangaben können spezielle Apps präzise Bewegungsprofile erstellen. Nutzende liefern Echtzeitinformationen zu Verkehrslagen, Fahrzeiten, Infrastrukturzuständen oder auch umweltbezogenen Aspekten wie beispielsweise der Luftqualität. Die so erhobenen großen Datenmengen ermöglichen eine tiefe Analyse urbaner Verkehrsabläufe. Mit ihnen lässt sich zudem herausfinden, welche Mobilitätsangebote zur Verkehrsmittelverlagerung wirklich akzeptiert werden. Sie dienen somit als valide Basis für nachhaltige Mobilitätskonzepte.
Bildnachweis: Bitkom Research 2024
Mittels mobilem Crowdsourcing ermitteln die Forschenden des mFUND-Projekts „Ctran“ die Mobilitätsbedürfnisse in Braunkohlerevieren, die sich in Folge des dortigen Strukturwandels stetig verändern. Die Mobilitätsdaten müssen also kontinuierlich erfasst werden, damit das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) den Bedürfnissen auch tatsächlich entspricht.
Im Projektverlauf konzipieren die lokalen und regionalen ÖPNV-Betreibenden neue Mobilitätsangebote. Dazu gehören zum Beispiel bedarfsorientierte Verkehrsmittel und Sharing-Systeme. Die Angebote erscheinen in einer Mobilitäts-App als konkrete Wahloptionen (mit Route, Fahrtzeit, Preis etc.). Die Nutzenden bewerten die ÖPNV-Alternativen, indem sie bei der Routensuche angeben, ob sie sie nutzen oder bei den bestehenden Angeboten bleiben würden. Zusätzlich zeichnen die Forschenden GPS-basiert die Wege der Nutzenden auf und ermitteln so die tatsächliche Mobilität.
Potenzialanalyse neuer Mobilitätsangebote
Die Forschenden speisen die erhobenen Daten in Modelle zur Ermittlung der Verkehrsmittelwahl und der gefahrenen Routen ein, um die Potenziale der neuen Mobilitätsangebote für die gesamte Region quantifizieren zu können. Anhand der erhobenen Daten finden sie mithilfe von Verkehrsmodellen heraus, welche Konzepte sich wie auf das Mobilitätsverhalten und damit den Verkehr in der Region auswirken könnten. Die Angebotsinnovationen mit hoher potenzieller Nutzung sollen kurz- bis mittelfristig in die Praxis umgesetzt werden. Ziel des Projekts ist die Sicherstellung eines attraktiven und bedarfsgerechten ÖPNV in den ehemaligen Braunkohlerevieren.
„Angebote zur Verkehrsmittelverlagerung sind nur dann nachhaltig, wenn die Bevölkerung sie annimmt. Daher ermitteln wir das Potenzial neuer Mobilitätsangebote mittels mobilem Crowdsourcing. Allerdings war die Motivation, sich zu beteiligen, sehr unterschiedlich ausgeprägt. Hilfreich war es daher, mit den Menschen in direkten Austausch zu treten und sie einzuladen, ihre Perspektiven zu teilen.“
Das Team des mFUND-Projekts track4science hat sich wiederum zum Ziel gesetzt, anderen Mobilitätsforschenden hochqualitative Mobilitätsdaten, die mittels mobilem Crowdsourcing erhoben wurden, zur Verfügung zu stellen. In einem Reallabor erproben die Forschenden nicht nur die kontinuierliche Datenerhebung über eine Smartphone-App. Sie bauen zudem ein interdisziplinäres und praxisnahes Forschungsökosystem mit einer offenen und webbasierten IT-Infrastruktur auf. Hierüber kann die Forschungsgemeinschaft die hochwertigen Mobilitätsdaten anonymisiert und datenschutzkonform abrufen.
Nachhaltige Mobilität fördern
Um Mobilitätsverhalten zu verstehen, nutzen die Forschenden die erhobenen Daten aber auch selbst. Sie analysieren sie, um Maßnahmen zu entwickeln, mit denen sich nachhaltige Mobilität fördern ließe. Diese Maßnahmen erproben sie anschließend im Rahmen von Feldversuchen: Über die App können die Forschenden den Nutzenden personalisiertes Feedback geben und so wissenschaftlich evaluieren, ob dieses Feedback zu Verhaltensänderungen führt. In einem späteren Stadium soll das Projekt auf weitere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werden.
Von der Einbeziehung des kollektiven Nutzerverhaltens durch mobiles Crowdsourcing versprechen sich Mobilitätsforschende, die Planung von Mobilitätsangeboten deutlich bedarfsgerechter ausrichten zu können, als dies mit gängigen Ansätzen möglich wäre. Denn aggregierte digitale Mobilitätsdaten aus sehr unterschiedlichen, teils auch ganz spezifischen Erhebungen können die Basis für neue Mobilitätsdienstleistungen bilden. So könnten erfolgreiche, innovative Konzepte schneller ermittelt und realisiert werden.