Auch in Deutschland nehmen die Extremwetterrisiken zu. Ereignisse wie Hitzewellen, Starkregen, Überflutungen, Spätfrost, Sturm oder Hagel können der Infrastruktur innerhalb kurzer Zeit erheblich und langanhaltend schaden. Der Verkehrssektor ist für solche Extremwetterereignisse ganz besonders anfällig: Starke Stürme verhindern das Starten und Landen von Flugzeugen, Niedrigwasser beeinträchtigt die Schiffbarkeit der Flüsse – und Hochwasser überflutet Straßen und Schienen.
Bereits im Jahr 2021 gab die Deutsche Bahn beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) eine Studie in Auftrag, um die Auswirkungen von Extremwetterereignissen infolge des Klimawandels für die Schieneninfrastruktur besser einschätzen zu können. Das Ergebnis: Es werden künftig mehr Hitzetage und weniger harte Winter erwartet. Wetterextreme wie Starkregen und die Intensität von Sturmereignissen werden gleichzeitig weiter zunehmen, so das Autorenteam der Studie. Um Infrastruktur und Fahrzeuge, sowie Energieanlagen und Bahnhöfe auch in Zukunft angemessen schützen zu können, wappnet sich die Deutsche Bahn daher nun mit einer umfassenden Resilienz-Strategie.
Ein datengetriebenes Frühwarnsystem für Starkregengebiete
Zur Schadensbegrenzung infolge von Extremwetterereignissen sind u.a. präzise Wettervoraussagen vonnöten. Daher beschloss der Bundestag 2024 auf Initiative des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) eine Ergänzung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Ergänzung legte die Rechtsgrundlage dafür, dass der DWD ein sogenanntes Naturgefahrenportal betreiben kann, das künftig früher und präziser über Extremwetterlagen informiert. Dadurch soll nicht nur die Prävention verbessert, sondern auch eine schnellere und effektivere Warnung im Katastrophenfall ermöglicht werden.
Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND forschen bereits verschiedene Förderprojekte an Vorhersage-Tools für präzise Wetterprognosen. So arbeitet beispielsweise das Team des Projekts heavyRAIN an einem datengetriebenen Frühwarnsystem für Starkregengebiete.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023): Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland. Was uns die Folgen des Klimawandels kosten – Zusammenfassung
Der Schutz vor Starkregen ist eine der zentralen Herausforderungen der Klimafolgenanpassung. Im Starkregenfall zählt jede Minute, um kurzfristige Maßnahmen zur Verminderung von Schäden zu ergreifen und sich in Sicherheit zu begeben. Von heftigem Starkregen spricht man laut DWD bei Niederschlagsmengen von über 25 Litern pro Quadratmeter innerhalb von einer Stunde. Starkregen kann überall auftreten und nicht nur zu schnell ansteigenden Wasserständen und Überschwemmungen, sondern auch zu Bodenerosion führen. Hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur können Starkregenereignisse demnach Straßenfundamente erheblich beschädigen, Gleise unterspülen und die Sicht im Flugverkehr behindern.
Entstehung von Starkregenzellen erkennen
Daher entwickelt das Team des mFUND-Projekts heavyRAIN ein datengetriebenes Frühwarnsystem, das zeitlich und räumlich präzise vor Starkregenzellen warnen soll. Um bereits die Entstehung solcher Unwetterzellen erkennen zu können, vereint das System einen Sensor- und Datenfusionsansatz: Einerseits verdichten die Forschenden meteorologische Messnetze mit Sensoren, die hochaufgelöste Aufzeichnungen von Starkregenereignissen liefern können. Andererseits entwickeln sie auf Basis dieser und historischer Daten die Komponenten der Künstlichen Intelligenz (KI) des Frühwarnsystems. Anschließend testet das Team das Prognosekonzept an ausgewählten Hotspots. Auf Basis der Ergebnisse plant das Team nach Projektende – gemeinsam mit dem DWD – ein Niederschlagsdatenprodukt zu entwickeln.
"Im Starkregenfall zählt jede Minute. Daher entwickeln wir ein datengetriebenes Frühwarnsystem, das zeitlich und räumlich präzise vor Starkregenzellen warnen soll. Mit ihm wollen wir schon die Entstehung der Zellen erkennen und melden können."
Experten sind sich derweil einig, dass extreme Wetterlagen eine Folge des Klimawandels sind. Das Mitte 2024 in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz (KAnG) soll helfen, extreme Wetterlagen in Zukunft besser zu bewältigen. Es verpflichtet Bund und Länder, Strategien vorzulegen, die eine flächendeckende Klimavorsorge ermöglichen. Konkret legt das Gesetz den Rahmen dafür fest, um Notfallmaßnahmen in Starkregen-Hotspots zu ergreifen – oder den Hitzeschutz für besonders gefährdete Gruppen wie alte Menschen und Säuglinge zu verbessern. Bislang konnten entsprechende Konzepte von den Kommunen freiwillig umgesetzt werden. Das neue Gesetz macht diese Aufgabe für alle verbindlich.
Rettungsketten bei Extremwetter simulieren
Teil der Klimavorsorge ist die Anpassung der Rettungskette an Extremwetterbedingungen: Hitze und Starkregen fordern Rettungsdienste, Krankenhäuser, Leitstellen, Feuerwehren und Katastrophenschutz gleichermaßen heraus. Zusätzliche Schwierigkeiten entstehen, wenn z.B. durch Starkregenereignisse bestimmte Bereiche eines Gebiets für die Rettungsmittel nur schwer erreichbar sind oder während Hitzeperioden die Rettungskräfte selbst von der zusätzlichen Belastung betroffen sind.
Effiziente Notfallmaßnahmen erfordern daher eine genaue Planung der Rettungskette in Form von Rettungseinsätzen und Beförderung von Patientinnen und Patienten. Bislang werden die Daten, die entlang der Rettungskette entstehen, noch nicht systematisch ausgewertet. Daher fällt es schwer, Rettungsmaßnahmen bei Extremwetter zu simulieren oder zu planen.
Das Team des mFUND-Projekts AIRCIS (Artificial Intelligence in Rescue Chains) entwickelt ein System, das die Rettungskette unter Extremwettereinflüssen durch den Einsatz von KI stärkt. Dazu werten die Forschenden zunächst Leitstellen- und weitere Rahmendaten – wie z.B. Wetterdaten und geografische Daten – aus. Auf Basis dieser Daten trainiert das Forschungsteam eine KI, das Einsatzaufkommen und Nutzerverhalten einer Leitstelle zu prognostizieren. So kann das System die gesamte Rettungskette und Ressourcenplanung unter Regelbedingungen simulieren.
Um die Rettungskette aber auch unter Extrembedingungen prognostizieren zu können, spielen die Forschenden im nächsten Schritt Extremwetterdaten wie Hochwasser, Starkregen und hitzebedingte Gesundheitsfolgen in die Simulation ein. Das Ergebnis ist eine Prognose- und Einsatzplanungssoftware für Leitstellen, die sowohl für Regel- als auch für Extrembedingungen anwendbar ist.
Infolge des Klimawandels werden Extremwetterereignisse wie Hitze oder Starkregen zunehmen. Um deren Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur, und damit auch auf die Mobilität, möglichst gering zu halten, erforschen mFUND-Projekte digitale datenbasierte Anwendungen, die präzise Prognosen und eine zuverlässige Planung von Rettungsketten ermöglichen sollen.
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