(Quelle: iStcok / mirsad sarajilic)
Begleitforschung mPACT: Frau Struckmann, Sie und das PhySens-Gründungsteam kommen ursprünglich aus der Welt der Sensorik und Messtechnik. Was hat Sie motiviert, Ihre Expertise speziell auf innovative Lösungen im Bereich der Schienentechnik zu konzentrieren?
Henriette Struckmann: Unsere Faszination für Technologien und den Schienenverkehr bestand schon vor der Gründung von PhySens, schließlich ist die Bahntechnik in Braunschweigs Historie bereits seit mehr als 150 Jahren fest verankert. Das Thema ist auch in unserem privaten Umfeld sehr präsent. Die Idee, unsere Sensorik- und Messtechnik-Expertise auf dem Gebiet der Schienentechnik einzubringen, ist aber eher durch einen Zufall entstanden.
Was genau für ein Zufall war das?
Wir haben vor ein paar Jahren über Umwege erfahren, dass Geschwindigkeitsbestimmung und Zuglokalisierung eine große technische Herausforderung im Schienenverkehr darstellen. Zum einen gestalten Schleuderbewegungen, Vibrationen und das Durchdrehen eines angetriebenen Rades auf der Schiene den Einsatz von Drehimpulsgebern – mit denen u. a. die Drehzahl gemessen wird – zum Teil sehr schwierig. Und zum andern führen schlechte Witterungsverhältnisse gelegentlich zum Ausfall von Radaren. Über eine Magnetfeld-Sensorik hatte bis Dato niemand nachgedacht. Genau das war die Geburtsstunde des ersten Use Cases für unsere Sensorik in der Bahntechnik.
Und was war der entscheidende Moment, der Sie dazu gebracht hat, die PhySens GmbH zu gründen?
Den einen Moment hat es eigentlich nicht gegeben. Aber ausschlaggebend war sicherlich die Entwicklung der ersten Prototypen, die initialen Testfahrten und die große Freude an der Arbeit in unserem Team. Hinzu kommt, dass ich das Thema Selbstständigkeit von klein auf in meiner Familie mitbekommen habe. Die Freiheiten, aber auch Verpflichtungen, die mit einem eigenen Unternehmen einhergehen, habe ich schon früh kennen- und schätzen gelernt. Und als schließlich der Moment gekommen war, die PhySens GmbH zu gründen, musste ich nicht lange überlegen – zumal ich immer schon davon überzeugt war, dass wir als Team an etwas Sinnvollem arbeiten.
Welche Herausforderungen sind Ihnen auf dem Gründungsweg begegnet, insbesondere bei der Übertragung hochspezialisierter Magnetfeld-Sensorik in die Welt der Schienentechnik?
Die Bahntechnik ist ein eher konservativer Sektor, in dem es nicht gerade leicht ist, einen Fuß in die Tür zu bekommen, und es auch sehr zermürbend sein kann, innovative Konzepte voranzubringen. Eine weitere Herausforderung war definitiv die deutsche Bürokratie. Dass wir mit Bürokratie rechnen müssen, war uns allen bewusst. Aber dass die bürokratischen Hürden derart hoch sein würden, damit hatte niemand von uns gerechnet.
Gibt es eine besonders wertvolle Lektion, die Sie mit anderen Gründerinnen teilen möchten?
Ich würde allen Gründerinnen und Gründern mitgeben, sich frühzeitig eine gute rechtliche und steuerliche Beratung zu organisieren. Die Schlüssel zum Erfolg sind am Ende aber Durchhaltevermögen und regelmäßiges kritisches Hinterfragen der eigenen Ideen.
Henriette Struckmann (Quelle: PhySens GmbH)
„Netzwerken ist unglaublich wichtig – nicht nur mit Frauen, sondern auch mit Männern. Insbesondere jungen Frauen würde ich mitgeben: Frauen, traut euch und habt Vertrauen in eure Fähigkeiten! Übernehmt die Projektleitung. Ihr könnt in jede Aufgabe hineinwachsen.“
Was treibt Sie persönlich an, die PhySens GmbH voranzubringen und Anwendungen für die Mobilität der Zukunft mitzugestalten?
Wir arbeiten an Projekten, die unseren Kunden, und auch der Gesellschaft, einen echten Mehrwert bieten. Mit unseren Technologien können viele Potenziale gehoben, Kosten gespart und die Verkehrswende beschleunigt werden. Gleichzeitig sorgen unsere Projekte in der Elektronikentwicklung für mehr Arbeitsschutz in innovativen und dynamischen Umgebungen – wodurch Menschen aktiv geschützt und ihre Sicherheit erhöht werden kann. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue!
Welche Effekte hatte die mFUND-Förderung des Projekts „MZLS “ auf die Gründungsphase der PhySens GmbH?
Das mFUND-Förderprogramm hat uns die Möglichkeit gegeben, einen ersten Prototyp für die Lokalisierung von Zügen fertigzustellen. Durch die Förderung konnten wir Mitarbeitende einstellen, unsere Entwicklungstätigkeit ausbauen – und auch unsere Sichtbarkeit in der Branche erhöhen. Der mFUND war also ein wichtiger Katalysator für die PhySens GmbH.
Die Bahntechnik gilt traditionell als männerdominierte Branche. Welchen Herausforderungen begegnen Sie als weibliche Gründerin und Geschäftsführerin?
Der erste Termin als Geschäftsführerin mit einem neuen Kunden kann bisweilen schon recht zäh ausfallen. Aber nach dem zweiten oder dritten Gespräch pendelt sich das meistens recht schnell ein. Heißt: Dranbleiben und die ersten ungewohnten Konstellationen überwinden. Es lohnt sich. Auf operationaler Ebene funktioniert die Zusammenarbeit hingegen von Beginn an sehr gut.
Gibt es Strategien, die Ihnen geholfen haben, Ihre Visionen trotz dieser Hürden durchzusetzen? Und spielt das Thema Gender im PhySens-Team eine Rolle?
Mir hat besonders der Austausch mit anderen Frauen und die Zusammenarbeit in unserem heterogenen Team geholfen. Das Thema Gender spielt für uns in der PhySens GmbH keine Rolle. Für uns sind diverse Teams eine Selbstverständlichkeit. Bei uns wird niemand aufgrund seines Geschlechts, des Alters oder seiner Herkunft anders behandelt. Und genau das macht uns als Team auch aus.
Welche Ratschläge würden Sie anderen Frauen geben, die eine Karriere in der Bahntechnik-Branche anstreben?
Netzwerken ist unglaublich wichtig – nicht nur mit Frauen, sondern auch mit Männern. Insbesondere jungen Frauen würde ich mitgeben: Frauen, traut euch und habt Vertrauen in eure Fähigkeiten! Übernehmt die Projektleitung. Ihr könnt in jede Aufgabe hineinwachsen. Jede und jeder fängt mal klein an, nur Frauen sind häufig einfach etwas zurückhaltender.
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis oder einen Tipp, den Sie anderen Gründerinnen abschließend mit auf den Weg geben würden?
Intrinsische Motivation! Sie trägt einen auch durch herausfordernde Zeiten hindurch und ist ungemein wichtig für den nachhaltigen Erfolg!
Vielen Dank für die wertvollen Einblicke, Impulse und das spannende Gespräch, liebe Frau Struckmann!
Wer auf unseren Verteiler möchte, schreibe bitte eine kurze E-Mail an mPACT@mfund.de mit dem Betreff „mFUND-Frauennetzwerk“.
Weiterführende Links:
- PhySens Rail GmbH
- mFUND-Projekt „MZLS – Lokalisierung von Zügen anhand einer magnetischen Karte des Schienennetzes“